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Weiße Blutkörperchen im Harn (Leukozyturie) - Übersicht
Univ.Prof.Dr.med. Wolfgang Hübl
Name - Info - Referenzbereiche
 
IN 3 SÄTZEN:
Unter Leukozyturie versteht man eine vermehrte Ausscheidung von weißen Blutkörperchen im Harn. Eine Leukozyturie ist meist ein Hinweis auf eine Infektion der Harnwege. Die häufigste Ursache ist eine Blasenentzündung (Zystitis).
   
NAME:
Leuko- Wortteil mit der Bedeutung weiß; -zyt- Wortteil mit der Bedeutung Zellen; -urie Wortteil mit der Bedeutung Harn. Leukozyturie: weiße Zellen (weiße Blutkörperchen) im Harn.
   
INFO:

 

 

Was versteht man unter einer Leukozyturie?
Auch im normalen Harn finden sich weiße Blutkörperchen. Erst wenn diese vermehrt sind, spricht man von Leukozyturie. In Zahlen ausgedrückt: wenn man mehr als 10 weiße Blutkörperchen pro Mikroliter (µl) im Harn ausscheidet, nennt man das Leukozyturie.
Bei einer Leukozyturie handelt es sich in den allermeisten Fällen um eine Vermehrung von ganz bestimmten weißen Blutkörperchen und zwar den Neutrophilen Granulozyten.

Weiße Blutkörperchen im Harn im Mikroskop betrachtet Leukozyten im Harn
So sehen weiße Blutkörperchen im
Mikroskop aus (ungefärbtes Präparat).

Genauer gesagt handelt es sich hierbei um neutrophile Granulozyten. Das ist im ungefärbten Harnpräparat aber nur schlecht erkennbar.

 

Warum untersucht man den Harn auf weiße Blutkörperchen?

  • Die Untersuchung des Eiweißes im Harn mittels Teststreifen gehört zu den Routine-Tests bei Reihen- oder Gesundenuntersuchungen (Screening).
  • Bei Beschwerden, die eine Erkrankung der Nieren, der ableitenden Harnwege (Harnleiter, Harnblase, Harnröhre) oder auch der Prostata vermuten lassen. Insbesondere bei Verdacht auf Infektionen im Bereich der Harnwege (Harnwegsinfekt) wird eine Harnuntersuchung mit Bestimmung der Leukozytenzahl notwendig sein.

 

Einschub: das Harnsystem

Harntrakt

Das Harnsystem
Das Blut fließt durch die Nieren. Harn wird durch die Nierenfilter, die Glomeruli, abgefiltert. Der größte Teil der Flüssigkeit wird noch in der Niere zurückgeholt, aber ca. 1.5 Liter fließen pro Tag in den Harnleiter, in die Blase und werden schließlich über die Harnröhre ausgeschieden.
  


Wie erkennt man eine Leukozyturie?
Am häufigsten wird dazu eine Teststreifenuntersuchung eingesetzt. Mit ihr lässt sich auf einfache Weise eine Vermehrung der weißen Blutkörperchen im Harn nachweisen.

Links zeigt der Teststreifen weiße Blutkörperchen an. Rechts normaler Harn. Nachweis einer Leukozyturie mittels Teststreifen
Man taucht den Teststreifen kurz in den Harn und überprüft nach zwei Minuten, ob eine Verfärbung des Leukozytenfeldes eingetreten ist.
Links zeigt sich das Leukozytenfeld violett verfärbt. Es wurden vermehrt Leukozyten gefunden.

Zum Vergleich rechts ein Normalbefund, das Feld bleibt weiß.

 

Welche anderen Nachweismethoden für Leukozyten im Harn gibt es?
Neben dem Teststreifen ist die Untersuchung der Harns im Mikroskop die wichtigste Nachweismethode. Meist wird zuerst eine Untersuchung mit dem Teststreifen durchgeführt. Zeigt sich bei dieser ein abnormer Befund, wird eine mikroskopische Untersuchung angeschlossen.

 

Ursachen einer Leukozyturie

Bei leichter Leukozyturie kommen sehr viele Ursachen in Frage. Jegliche Entzündung der Niere oder der Harnwege kann eine leichte Leukozyturie verursachen. Dabei muss gar keine Infektion vorliegen. So können z.B. Autoimmunerkrankungen wie eine Nierenentzündung bei Lupus erythematodes oder Strahlenschäden der Harnblase eine leichte Leukozyturie verursachen.

Bei stärkerer Leukozyturie liegt aber fast immer eine Infektion im Bereich der Harnwege vor.

Eine Entzündung, die eine Leukozyturie im Harn verursacht, kann vorkommen

  • in der Harnblase (Zystitis)
  • in der Niere und dem Nierenbecken (Pyelonephritis)
  • in der Harnröhre (Urethritis)
  • in der Vorsteherdrüse des Mannes (Prostatitis)
  • im Harnleiter (Ureteritis)
  • seltener im Nebenhoden (Epididymitis)

Infektionen im Bereich der Harnwege gehören zu den häufigsten Infektionen überhaupt. Bei Erwachsenen sind Harnwegsinfekte besonders bei Frauen sehr häufig.
Bei Erwachsenen bis zum 50 Lebensjahr sind Harnwegsinfekte bei der Frau etwa 50mal häufiger als beim Mann. Im höheren Lebensalter steigt die Häufigkeit beim Mann an, weil Erkrankungen der Prostata zunehmend Probleme bereiten.
Erreger der Harnwegsinfekte sind meist Bakterien (meist Escherichia coli, aber auch viele andere kommen als Erreger vor. Auch Tuberkulose-Erreger kommen in Frage), seltener Pilze (z.B. Candida), Einzeller (Trichomonas), bakterien-ähnliche Organismen (Chlamydien, Mykoplasmen) oder Viren (Herpes).

 

Hinweise auf die Ursachen einer Leukozyturie

Abgesehen von weiterführenden, aufwendigeren Untersuchungen kann man mit relativ einfachen Mitteln bereits Hinweise auf die Ursache der Leukozyturie erhalten.

Findet man die Leukozyten in allen Harnportionen?
Man kann den Harn portioniert Sammeln (auch Zweigläserprobe genannt): In das erste Glas kommen die ersten etwa 10 bis 15 ml (das ist sehr wenig; ein Achtel-Liter hat 125 ml). In das zweite Glas kommen die folgenden 200 ml. Ist die Konzentration der Leukozyten im ersten Glas viel höher als im zweiten, spricht das für eine Erkrankung in der Harnröhre (oder auch für eine Erkrankung der Prostata). Sind aber im zweiten Glas genau so viele Leukozyten wie in der ersten Portion, spricht das für eine Erkrankung der Harnblase, Harnleiter, Nierenbecken oder Nieren.

Findet man im Harn Leukozytenzylinder?
Sieht man im Mikroskop zylindrische Pakete von weißen Blutkörperchen (sog. Leukozytenzylinder), dann spricht das für eine Ursache im Bereich der Nieren. Diese Zylinder sind gewissermaßen Ausgüsse der kleinen Nierenröhrchen. Sie sind daher ein Beweis, dass die Leukozyten bereits in der Niere vorhanden waren.

Zylindrisches Gebilde aus gepackten weißen Blutkörperchen im Harn Leukozytenzylinder
Stammen die Leukozyten des Harns aus der Niere, dann kann man auch oft Lukozytenzylinder im Harn finden. Diese entstehen als Ausgüsse der kleinen Röhrchen, in denen der Harn in der Niere fließt.

 

Sind (neben den Leukozyten) auch Bakterien im Harn vermehrt?
Das vermehrte Auftreten von Bakterien im Harn spricht bei Leukozyturie für eine bakterielle Infektion als Ursache.

Die Bakterien kann man nachweisen

  • bei der Untersuchung des Harns im Mikroskop
    Das geht sehr schnell. Man kann aber nicht alle Bakterien und schon gar nicht alle Erreger sehen. Daher: Findet man neben der Leukozyturie eine größere Menge Bakterien, spricht das für eine bakterielle Harnwegsinfektion, findet man aber keine Bakterien, kann trotzdem eine bakterielle Infektion vorliegen.
  • Durch Beobachtung des Bakterienwachstums auf einem in den Harn getauchten Nährboden (sog. Harnkultur).
    Das dauert länger, weil der Nährboden einige Zeit bebrütet werden muss. Findet man dann bei der Kultur, dass mehr als 100000 Bakterien in einem Milliliter Harn waren, spricht das für eine Harnwegsinfektion. Manche Bakterien wachsen aber nicht bei einer normalen Harnkultur. Auch andere Erreger eines Harnwegsinfekts bleiben bei der üblichen Kultur unbemerkt. Es gilt daher ähnlich wie für das Mikroskop: Findet man eine größere Bakterienzahl, spricht das für eine bakterielle Harnwegsinfektion, findet man aber keine Bakterien, kann trotzdem eine bakterielle Infektion vorliegen.
  • durch Verfärbung des Nitrit-Feldes am Mehrfach-Harn-Teststreifen.
    Die einfachste aber unsicherste Methode.

    Manche Bakterien können aus dem Nitrat des Harns Nitrit bilden, das sich mit einem Teststreifen nachweisen lässt. Wenn das Teststreifenfeld Nitrit anzeigt spricht das daher für einen bakteriellen Harnwegsinfekt. Wenn das Feld aber nichts anzeigt, sagt das fast gar nichts, weil bei vielen Harnwegsinfekten kein Nitrit gebildet wird.

Sind auch Pilze im Harn?
Das vermehrte Auftreten von Pilzen im Harn kann ein Hinweis auf eine Pilz-verursachte Entzündung der Harnwege sein.
Nachweisen kann man die Pilze bei der mikroskopischen Harnuntersuchung.

 

 

Andere Fragen bei Leukozyturie

 

Wie gewinnt man den Harn für die Leukozytenuntersuchung?
Abgesehen von speziellen Fragestellungen (siehe Zweigläserprobe weiter oben) reicht für die Untersuchung der Leukozyten der sog. Spontanurin aus. Spontanurin ist eine Harnprobe, die direkt vom Patienten ohne irgendwelche besonderen Vorkehrungen gesammelt wird.
Will man auch die Bakterienzahl im Harn ermitteln, wird man meist den sog. Mittelstrahl-Harn untersuchen. Dabei wird die erste Harnportion (in die Toilette) verworfen und erst danach wird der zu untersuchende Harn im Gefäß aufgefangen.
Die Frau muss dazu beim Harnlassen gleichzeitig die Schamlippen gespreizt halten, der Mann die Vorhaut zurückziehen. Der Rand und die innere Wand des Gefäßes dürfen nicht berührt werden oder mit Kleidung, Beinen oder Genitalien in Berührung kommen. Man kann sich vorstellen, dass dies in der Praxis enorme Probleme verursacht. Insbesondere Frauen werden dabei ja fast akrobatische Fähigkeiten abverlangt.

Die Haltbarkeit des Harns
Ist der Harn sauer (pH niedrig) und konzentriert (hyperton, hohe Dichte), dann halten sich die weißen Blutkörperchen länger und sind 24h lang im Mikroskop erkennbar.
Ist der Harn hingegen alkalisch (pH hoch), gering konzentriert (hypoton, niedrige Dichte) und/oder liegt eine Infektion vor, können bereits innerhalb von 3h die Hälfte der weißen Blutkörperchen aufgelöst sein. Mit dem Teststreifen würde man ihre Enzyme dann zwar immer noch nachweisen können, im Mikroskop sieht man sie aber nicht mehr.

 

Kann eine Harnwegsinfektion ohne Leukozyturie ablaufen?
Findet man keine Leukozyten im Harn ist ein klassischer Harnwegsinfekt (Pyelonephritis oder Harnblasenentzündung) sehr unwahrscheinlich. Ausnahmen kommen aber vor, wenn keine Verbindung zwischen Ort der Infektion und untersuchtem Harn besteht. Wenn z.B. der Harnleiter verschlossen ist und sich die Infektion oberhalb davon abspielt. Oder bei einem Abszess (umschriebene Eiteransammlung in einem Hohlraum) der Niere.
Außerdem gibt es spezielle Formen der infektiösen Harnröhrenentzündung (durch Chlamydien, Mykoplasmen oder Gonokokken), bei denen man mit dem Testreifen nicht immer Leukozyten findet.
Auch bei Harnwegsinfektionen von Kindern unter 2 Jahren fand man in einer neueren Studie, dass bei jedem zehnten Kind der Teststreifen negativ blieb. Man schloss daraus, dass in dieser Altersgruppe ein negativer Teststreifenbefund nicht ausreicht, um eine Harnwegsinfektion sicher auszuschließen (A. Doley, Emergency Medicine, 2003).

 

Was kann die Ursache sein, wenn Mikroskop und Teststreifen unterschiedliche Ergebnisse liefern?

  • Teststreifen zeigt Leukozyten, im Mikroskop findet man aber keine
    Kann vorkommen, wenn die Leukozyten im Harn bereits zerstört sind. Dann kann der Teststreifen die Inhaltsstoffe der Leukozyten noch nachweisen, im Mikroskop sieht man aber keine. Ursachen: Langes Stehenlassen des Harns, dünner (=hypotoner) Harn, basischer Harn ("zu wenig Säure im Harn", pH > 6).
    Sind im Harn Oberflächenzellen der Schleimhäute (Epithelzellen) stark vermehrt, kann der Teststreifen fälschlicherweise Leukozyten anzeigen.
  • Im Mikroskop findet man Leukozyten, Teststreifen zeigt aber keine an
    Sehr hohe Eiweißkonzentrationen (mehr als 5 g/l) oder Glukose("Zucker")-Spiegel (mehr als 20 g/l) können dazu führen, dass der Teststreifen die Leukozyten übersieht.

 

Was ist eine Pyurie?
Früher wurde darunter nur das mit freiem Auge erkennbare Auftreten von Eiter im Harn (also eine massive Leukozytenausscheidung) verstanden. Heute wird unter Pyurie oft schon jedes vermehrte Auftreten von Leukozyten im Harn verstanden. Der Ausdruck Pyurie wird also gleichbedeutend mit Leukozyturie verwendet.

 

Man findet Leukozyten, es scheinen aber keine Bakterien vorhanden zu sein.
Findet man bei Leukozyturie mit der üblichen Bakterienkultur keine Bakterien kann man an eine Infektion mit Tuberkulose-Bakterien, Chlamydien, Mykoplasmen oder Gonokokken (Erreger der Gonorrhoe), Trichomonaden (das sind einzellige Krankheitserreger) oder an Pilze denken.
Wie oben erwähnt kommen bei leichter Leukozyturie aber auch andere, nicht-infektiöse Ursachen in Frage (z.B. Autoimmunerkrankungen der Niere, Tumoren des Harntraktes, Bestrahlungen, ev. auch Harnsteine).

 

Behandlung ohne Abklärung?
In vielen Bereichen der Medizin ist die Behandlung einer Infektion mit Antibiotika ohne vorherige exakte Diagnose und Bestimmung des Erregers verpönt (Anmerkung: auch wenn es häufig so gehandhabt wird). Bei dem Verdacht auf eine einfache, untere Harnwegsinfektion (z.B. Blaseninfektion) der Frau ist es hingegen eine anerkannte Praxis, ohne exakte Erregerbestimmung und ohne Suche nach einer bestimmten Ursache mit Antibiotika zu behandeln. Nur wenn die Behandlung erfolglos bleibt oder die Harnwegsinfekte immer wieder kehren, wird man genauer nach der Ursache suchen.
Ob man bei Männern bereits bei einer nur einmalig auftretenden, unkomplizierten Harnwegsinfektion nach einer Ursache suchen sollte, wird von den Experten nicht einheitlich beurteilt. 

   
REFERENZ-
BEREICHE
IM HARN:
  Bereich Einheit Bereich Einheit
Leukozytenzahl bis 10

Zellen/µl

bis 10 x 106

Zellen/l

Teststreifen negativ
Harnuntersuchung
im Mikroskop
bis 4 weiße Blutkörperchen
pro Gesichtsfeld im Mikroskop
(Sedimentuntersuchung* bei

400-facher Vergrößerung)

*10 ml Harn werden 5 Minuten bei 400 G (also relativ leicht)
zentrifugiert. Der Überstand wird abgegossen und das Sediment
in ca. 0.5 ml aufgeschüttelt. Davon wird 1 Tropfen auf den
Objektträger gegeben, mit einem Deckglas bedeckt und im
Mikroskop untersucht.

 

 

 

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Letzte Änderung 2004-01-18

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